Der Gemeinderat trat am 3. Juni 2022 um 18 Uhr im Großen Saal des Bürgerhauses zum sechsten Mal in der aktuellen Legislaturperiode zusammen. Die längsten Debatten betrafen einen Antrag der Grünen-Fraktion zu AREA3-Ost und einem Antrag des Bovender Bündnisses (SPD, CDU) zur Förderung des alltäglichen Radverkehrs.

Von Dennis Quint

Grüne fordern Aus von neuem Gewerbegebiet

In einem Antrag forderten die Grünen, die Planungen zur Erschließung des Gewerbegebietes AREA3-Ost unverzüglich zu beenden. Der relevante Bebauungsplan, den das Oberverwaltungsgerichts Lüneburg Anfang April wegen kleinerer formaler Mängel außer Kraft gesetzt hat, soll laut Grünen nicht mehr nachgebessert werden. Neben Nachhaltigkeit und Artenschutz führten die Grünen als Begründung den Ukrainekrieg an, der zu einem Mangel an Weizen und zu steigenden Preisen geführt habe. Deutschland müsse mehr Getreide selbst produzieren. Nach der Devise „global denken und regional handeln“ dürfe keine weitere Versiegelung von Ackerböden in Bovenden mehr stattfinden.

SPD: Warum wir zu AREA3-Ost stehen

Der SPD-Fraktionsvorsitzende, Dr. Thorsten Heinze, verteidigte AREA3-Ost in seinem Wortbeitrag. Dass Süd-Niedersachen mehr Gewerbeflächen benötige, sei eine häufige Forderung von Verbänden wie der IHK oder der Wirtschaftsregion Göttingen. Durch die Bereitstellung und Sicherung lokaler Arbeitsplätze würde der Pendelverkehr und dessen Klimaschäden minimiert werden. Ein Scheitern von AREA3-Ost würde dazu führen, dass sich die Unternehmen außerhalb des Landkreises niederlassen würden. Folglich würden sich die Fahrtwege der Arbeitnehmer*innen verlängern und es würden mehr Emissionen ausgestoßen werden. Bei der Ausgestaltung des Bebauungsplans für AREA3-Ost habe man sich intensiv mit dessen Umwelt- und Klimafolgen befasst und deshalb höchste Standards festgeschrieben, unter anderem:

  • Eine Verpflichtung zur Nutzung von Sonnenenergie
  • Ein naturnah gestalteter Grünstreifen mit einer Breite von 10 Metern
  • Eine verpflichtende Begrünung von Wänden
  • Ausgleichsmaßnahmen, z.B. die Umsiedlung von schützenswerten Tierarten.

Angesichts dieser Maßnahmen hätte sich laut Heinze selbst Doreen Fragel, Erste Kreisrätin und Grünen-Mitglied, positiv zu AREA3-Ost geäußert. Außerdem hätten die Grünen im Kreistag dem neuen Raumordnungsprogramm zugestimmt, das Gewerbegebiete ausdrücklich vorsieht. Er wüsste nicht, so Heinze, warum sich nur die Bovender Grünen gegen ein nachhaltiges und notwendiges Gewerbegebiet sperren würden. Ein Ende von AREA3-Ost nähme in Kauf, dass sich interessierte Unternehmen in Gegenden ansiedeln, die den Umweltschutz weniger berücksichtigen. Eine Pressemitteilung des Bovender Bündnisses wies nach der Sitzung darauf hin, dass 60% der Fläche des Landkreises Göttingen unter Natur- oder Landschaftsschutz stünden, während Gewerbeflächen nur 1,3% der Fläche ausmachen würden.

Bürgermeister: Abwägung zwischen Klimaschutz und Wirtschaft notwendig

Bürgermeister Thomas Brandes (SPD) wies Vermutungen der Grünen zurück, es würde an strategischer Planung fehlen. Um Ressourcen zu schonen, sei AREA3-Ost als interkommunales Projekt zusammen mit dem Flecken Nörten-Hardenberg entwickelt worden. Außer AREA3- Ost seien für die nächsten 30 Jahre keine weiteren Gewerbegebiete im Flecken Bovenden geplant. Befürchtungen, ein im Raumordnungsprogramm verzeichnetes Güterverkehrszentrum könnte doch noch in Lenglern gebaut werden, hielt Brandes für unbegründet. Der Gemeinderat habe hier das Planungsrecht: Solange der Rat nicht zustimmt, wird kein Zentrum gebaut. Brandes stellte klar, dass er seine Entscheidung für AREA3-Ost lange abgewogen habe. Für ihn „[gehören, D.Q.] Klimaschutz und Wirtschaft zusammen.“ Brandes griff die Devise der Grünen – „global denken, regional handeln“ – auf und führte sie weiter: Der Ukrainekrieg habe uns schmerzhaft unsere Energieabhängigkeit von Russland vorgeführt, die Abhängigkeit von China sei aber noch viel größer. Wolle man angesichts von Menschenrechtsverletzungen unabhängiger von China werden, müsste wieder mehr in Deutschland produzieren werden. Dies wäre aber nur möglich, wenn die dann notwendige Ausweisung von Gewerbeflächen nicht prinzipiell blockiert würden.

Die übrigen Fraktionen ebenfalls gegen Grünen-Antrag

Harm Adam, CDU-Fraktionsvorsitzender, erinnerte daran, dass bei der letzten Kommunalwahl 2021 knapp 80% der Bovender*innen für Parteien gestimmt hätten, die AREA3-Ost unterstützen. Die Mängel im Bebauungsplan seien leicht zu bereinigen. Jan Risting (FDP) wies darauf hin, dass ausgehend von Statistiken des Landkreises Göttingen keine Rede sein könne von einer ausufernden Flächenversiegelung. Reinhard Bodenburg (FWG) kommentierte Vermutungen, AREA3-Ost könnte in der Zukunft vergrößert werden: „Daran hat niemand [im Rat, D.Q.] einen Gedanken verloren.“

Bovender Bündnis: Antrag eingebracht zur Stärkung des innerörtlichen Radverkehrs

Ratsfrau Sonja Schriever (SPD) stellte im Rat einen Antrag des Bovender Bündnisses zur Förderung des alltäglichen Radverkehrs vor. Der Ausbau der Radstrecken zwischen den Ortsteilen soll ergänzt werden durch Maßnahmen für die innerörtlichen Radwege, um klimaschonende Alltagsmobilität voranzutreiben. Besonderes Augenmerk legte Schriever auf das Sicherheitsgefühl der Radfahrer*innen: Göttingen sei wegen der sicheren Radverkehrswege eine Fahrradstadt geworden. In den Ortsteilen sollen wichtige Punkte des alltäglichen Lebens entweder mit Radwegen oder mit Radschutzstreifen verbunden werden. Die Ortsräte werden bei der Ausgestaltung der Pläne beteiligt. Für den Bau sollen Fördermittel des Bundes beantragt werden.

Michael Lühmann (Grüne) begrüßte die allgemeine Stoßrichtung des Antrags und nannte Fahrradstraßen als weiteres Mittel der Radverkehrsförderung. Die FWG machte Bedenken deutlich: Man solle sich lieber auf die Radwege zwischen den Ortsteilen konzentrieren. Jan Risting (FDP) kritisierte die Beteiligung eines Planungsbüros. Das Geld solle besser direkt in die Radwege gesteckt werden. Die SPD-Fraktion sieht wegen der komplizierten rechtlichen Vorgaben für die Gestaltung von Verkehrswegen Bedarf für die frühe Einbeziehung eines Planungsbüros. Der Antrag wurde ohne Gegenstimme zur Beratung in den Bau- und Umweltausschuss verwiesen.

Kurz notiert

Neben den oben erwähnten Debatten entschied der Rat noch über eine Reihe weiterer Beschlussvorlagen. Ein Antrag der FDP- und FWG-Fraktion zur einjährigen steuerlichen Befreiung von Hunden aus Tierheimen im Landkreis Göttingen wurde in den Finanzausschuss überwiesen. Die SPD-Fraktion wird diesen Antrag konstruktiv begleiten. Steigende Materialpreise veranlassten den Rat zur Bewilligung von Mehrkosten. Dies betrifft das Sanierungsgebiet „Bovenden – Alter Ortskern“ (1,8 Mio. €, davon zwei Drittel durch Zuschüsse gedeckt) und den Neubau einer Stützmauer am Rauschenwasser (110 Tsd. €). Der Rat billigte Änderungen an den Bebauungsplänen „Hinter dem Lohberge“ und „Burgstraße“.